Recovery

Der Genesungsweg kann für Betroffene sehr unterschiedlich aussehen. Die folgenden Berichte spiegeln persönliche Erfahrungen einzelner Personen wider und bieten keine Aussagen über generelle Behandlungsmöglichkeiten.


E.

Da läuft man jahrelang durchs Leben und kennt seine Reaktionen, seine Gedanken, seine Wortwahl, seine Vorlieben und plötzlich meint man gar nichts mehr zu wissen, sich nicht mehr wiederzuerkennen.

Ich hab in der Therapie gelernt, dass ich mich nicht von mir entferne, im Gegenteil. Ich bin viel eher dabei, mich endlich zu finden. Die DP hat mir gezeigt, dass ich nicht das war, was ich meinte zu sein und das auch gar nicht sein wollte. Die Person, die ich früher war und zu der ich mich so oft zurück sehnte war ein....sagen wir Knetmännchen....Ich wollte immer allen gefallen, strebte nach dem Ideal meiner Eltern, später folgte ich dann der Gesellschaft. Die Tage, an denen ich wirklich alles neu betrachte sind fast vorbei und rückblickend sehe ich es als eine Art Suche an, in der ich die Welt von wirklich allen Seiten betrachte und das herausfilter, was wirklich meiner eigenen Überzeugung entspricht. Das ist gar nicht einfach, aber jetzt kann ich es mit meinem eigenen Entscheidungsfreiraum, den eigentlich jedes Kind haben sollte, ohne von seinen Eltern nur nach deren Ansprüchen verformt zu werden.

A.

Ich leide seit ca. 2 Jahren ununterbrochen an Derealisation (keine Depersonalisation). Ich bin schon häufiger in Kliniken gewesen. In der jetzigen benutzen sie das Medikament Naltrexon ausschließlich gegen die Symptomatik DP/DR. Bei 50% hilft es hier in der Klinik, bei mir leider nicht, aber bei einigen auf der Station so sehr, dass die Symptome weg sind.

L.

Meine DP/DR ist praktisch verschwunden (ich bin 20). Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass es "nur" die Randerscheinung einer ziemlichen Jugendkrise mit allem drum und dran (Selbstfindung, Sinnfrage, Zukunftsangst etc.) war. Seit ein paar Monaten bin ich nun praktisch beschwerdefrei. Ein Unwirklichkeitsgefühl kommt eigentlich nur noch in Portionen von wenigen Augenblicken in ungewohnten Situationen vor. Das hatte ich aber eigentlich schon immer und macht mir daher auch keine Angst. Ohne eine Realität, innerhalb derer ich lebe, kann ich mir auch keine Realität vorstellen. Dieser Gedanke hat mir sehr geholfen. Dadurch und eben auch, weil ich mir im Hinblick auf meine Zukunft durch die ganze Planung eindeutige Vorstellungen machen konnte, ging die DP irgendwie immer mehr zurück.

R.

Sicher war: ich wollte, ja ich musste meine Lebenssituation ändern. Ich hielt dieses leidvolle Dahinvegetieren einfach nicht mehr aus. Auch hatte ich mich mittlerweile von der Hoffnung verabschiedet, ich müsste nur abwarten und die DP würde mit der Zeit ganz alleine verschwinden. Mir war also schon klar, dass ich etwas tun musste, aktiv werden musste. Es war ständig ein Balanceakt über dem Abgrund, eine ständige Konfrontation mit meinen tiefsten Ängsten und Schwächen. Immer wieder geriet ich zurück in diesen weltfernen, drogenähnlichen Rauschzustand und erlebte erneut die seltsame Wahrnehmung der eigenen Stimme, des eigenen Körpers. Ich denke, diese ständige Selbstbeobachtung in jeder Situation ist wie ein Virus, der alle Gedanken, Gefühle und Eindrücke von außen automatisch mit der Krankheit in Zusammenhang bringt und somit ein Ausbrechen aus dem Teufelskreis der eigenen krankmachenden Verhaltens- und Gedankenmuster sehr erschwert. Ich hatte das Gefühl, irgendwie wieder alles neu lernen zu müssen. Meine DP/DR bildete sich mehr und mehr zurück. Langsam, aber spürbar und gleichmäßig. Ein Rest davon ist noch vorhanden, aber das stört mich nicht. Je mehr sie sich zurückbildete, desto mehr kamen meine alten Probleme wieder. Mir kam immer mehr zur Bewusstsein, dass es mir auch vor der DP schon nicht besonders gut ging. Jedenfalls kann ich heute sagen, dass ich mein Leben, so wie es ist, akzeptieren kann und es trotz aller Sorgen und Probleme für lebenswert halte.

D.

Mir hat Traumatherapie sehr geholfen. Ich musste erst verstehen, warum die Symptome überhaupt da waren, vermutlich schon seit der Kindheit, aber ich kann mich nicht so gut erinnern. Es hat gefühlt ewig gedauert, weil ich nicht kapiert habe, wann es schlimmer wurde. Irgendwie war ich immer nur im Dauer-Nebel-Dschumm, das lag aber vermutlich daran, dass ich die ganze Zeit in einer miesen Beziehung steckte und nicht wirklich sehen konnte, warum es mir so schlecht ging. Jetzt geht es mir erheblich besser, es ist nicht vorbei, aber ich sehe ein bisschen besser der Zukunft entgegen.

B.

Sobald ich Tag für Tag, Monat für Monat immer mehr rausging, auch wenn ich es nicht schön fand, gab es auf einmal nach langer Zeit Phasen, in welchen ich etwas anderes denken konnte. Und diese Phasen wurden immer mehr. Heute denke ich kaum mehr über DP nach. Meine Optik ist genau dieselbe geblieben, doch der Schrecken ist weg. Ich wache nicht mehr auf und denke: oh Gott - nicht schon wieder, bitte bitte nicht. Ich wache auf, stehe auf, und kommt mal ein DP Gedanke hoch, dann denke ich gleich etwas anderes: wie, was werde ich heute kochen. aber: dies dauernd und dauernd. Da musste ich viel, viel Geduld haben, viel Ausdauer.

Jede Sekunde, Minute, welche du mit Gedanken und Gefühlen der DP, der Angst schenkst, wird sie mächtiger, immer mächtiger, das Gehirn kennt dann kein anderes Thema mehr, es ist wie ein Zwang für das Gehirn, es muss an DP und Angst denken. Ich legte mir Musik auf, versuchte bewusst zu entspannen, DP auf der Seite zu lassen, das Gehirn, die Gedanken in eine andere Richtung fließen zu lassen. Es kann lange dauern, aber es zahlt sich aus.